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Schorlegespräch

Interview: HEIDEWITZKA
Heidemarie (Heidi) Isele — April 27, 2018

Gewaltfreie
Kommunikation:
Nur die Haltung
zählt!

» Vorwürfe sind nur eine hässliche Geschenkverpackung, die jemand ausgewählt hat, um unerfüllten Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen. «

So brachte es Kommunikationstrainer Alexio Schulze-Castro in einem seiner Workshops auf den Punkt und machte mich damit zum Fan der Gewaltfreien Kommunikation (GFK).
 

Alexio, was hat es denn mit dem hässlichen Geschenkpapier und den Bedürfnissen auf sich?

Ganz einfach: Wenn du ein Geschenk kriegst, dann pfeif auf die Verpackung, schau dir lieber an, was drin ist. Wenn man einmal verstanden hat, dass hinter Vorwürfen immer ein unerfülltes Bedürfnis beim Anderen steckt, und dass diese Leute gewissermaßen in Not sind, dann wird es leichter schwierige Situationen auszuhalten.

Aber es ist doch auch schön, sich über andere aufzuregen…

Klar, bevor man Frust aushält, ist es manchmal leichter seinen Ärger nach außen zu tragen und dem anderen Vorwürfe zu machen: „Du bist schuld, dass es mir nicht gut geht!“ Mag für den Augenblick erleichtern, ist meiner Erfahrung nach aber nicht nachhaltig und fördert selten kooperatives Verhalten, da Menschen äußerst ungern bereit sind, die Verantwortung für die Gefühle anderer zu übernehmen.

Wie geht ein „GFKler“ mit Vorwürfen um?

Wenn du mit der Haltung der GFK an eine Situation rangehst, dann versuchst du das unerfüllte Bedürfnis hinter den Vorwürfen zu entdecken – sowohl bei dir, als auch beim anderen. Wenn du in einer schwierigen Situation also ausdrückst, welches Bedürfnis bei dir im Moment nicht erfüllt ist, dann sind die Chancen höher, dass ihr eine für beide Seiten akzeptable Lösung findet. Bei der GFK ist der oberste Leitgedanke, dass man zum Wohl anderer beitragen möchte und gelingende menschliche Beziehungen anstrebt.

Und wie kann ich lernen „gewaltfrei“ zu sprechen?

Es gibt keine Schablone oder Beispielsätze, die man auswendig lernen kann. Es geht nicht darum, Wörter in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen und dann „Hokuspokus“ lösen sich alle Probleme wie von selbst. Jede Situation mit Menschen ist anders. Mit der richtigen Haltung kann man jedoch viel bewirken. Der feine Unterschied ist: Ich spreche etwas an, wenn mich etwas stört und bin gleichzeitig auch daran interessiert, warum jemand so reagiert. Zudem interessiert mich in der GFK auch, wie es für den anderen ist, wenn er meine Perspektive gehört hat. Also die Frage: Was macht meine Aussage mit dir? Und erst, wenn ich das erfahren habe, dann möchte ich in dieser Haltung schauen, ob wir eine Lösung finden, die für beide passt. Letztlich geht es um möglichst hohe Unvoreingenommenheit und das Schaffen von Handlungsoptionen, die für alle Beteiligten stimmig sind.

Das klingt kompliziert. Wenn ich jetzt plötzlich anfange in meinem Umfeld über Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen, dann schütteln die doch den Kopf!

Der Ausdruck von Bedürfnissen und Gefühlen ist für alle Anfänger eine Herausforderung. Dazu braucht es Übung. Die Aufgabe des GFK-Trainers ist es, bei den Startschwierigkeiten unterstützend an der Seite zu stehen und die Komplexität der GFK durch Übungen zu reduzieren. Für den Anfang kann es auch helfen, Kontakt zu seinen Gefühlen und Bedürfnissen aufzunehmen und aus dieser Haltung heraus so zu sprechen wie sonst auch.

Häufig fragen mich Leute, ob man mit GFK andere manipulieren und seine Interessen besser durchsetzen kann. Geht das?

Manipulation ist für mich, wenn jemand seine Absichten verdeckt hält. Die Absicht bei der GFK ist jedoch immer ganz klar die wertschätzende Verbindung zueinander und dies wird durch Rückfragen auch offen gezeigt. GFK hat jedoch einen bestimmten Effekt. Manche Leute halten diesen Effekt für Manipulation. Fakt ist jedoch, dass jegliche Kommunikation einen Effekt hat. Und wenn jemand wirklich wiederholt manipulativ nach den Bedürfnissen des anderen fragt, ohne sich dafür ehrlich zu interessieren, dann fliegt das meist früher oder später auf. Einen solchen Vertrauensverlust kriegt man nur schwer wieder repariert.

Mit welcher Motivation kommen GFK-Schüler zu dir?

Meist kommen Schüler zu mir, weil sie unzufrieden mit den Ergebnissen ihrer Kommunikation mit anderen waren, z.B. in der Partnerschaft, mit dem Chef, Kollegen oder den Kindern. Wenn jemand im Freundeskreis mit GFK anfängt und positive Veränderungen in seinem Verhalten sichtbar werden, dann ist das nicht selten ansteckend.

Babys schreien einfach, wenn sie ein Bedürfnis nach Nahrung haben. Als Erwachsener soll man still funktionieren. Die Verbindung mit den eigenen Bedürfnissen wird nicht unbedingt stärker. Müssen wir wieder mehr zu Babys werden?

Menschen verlernen häufig im Laufe des Lebens die Verbindung zu ihren Bedürfnissen aufzunehmen. Es fängt schon damit an, wenn Eltern ihrem Kind sagen, was richtig und was falsch ist. Wenn ich als Kind richtig handle, dann bekomme ich Liebe, wenn ich falsch handle, dann im besten Fall einen Tadel. Anstatt Kinder einfach zu loben, sollte man ihnen besser sagen, welche Bedürfnisse sich beim Elternteil dadurch erfüllt haben. Schon hier könnte man ansetzen, um besser mit den eigenen Bedürfnissen beim Erwachsenwerden verbunden zu bleiben, statt in bipolaren Automatismen von gut/schlecht zu denken. Bedürfnisse sind leider kein Unterrichtsfach, aber es gibt mittlerweile schon einige GFK-Schulen in Europa, die bei den Schülern diese Haltung kultivieren.


Über Alexio Schulze-Castro:

Alexio ist als Kommunikationstrainer mittlerweile in seinem dritten Beruf. Bewusst oder unbewusst hat er mit seinen Berufen immer das Wohl von anderen Menschen in den Mittelpunkt gestellt – sei es als Masseur und medizinischer Bademeister, Tanzpädagoge oder eben als Kommunikationstrainer für GFK

Alexio

» Du gibst Leuten mit GFK was an die Hand, mit dem sie ihr Leben selber schöner machen können, «

verrät mir Alexio bei einem Traubensaftschorle im Café Chapeau am Isartor.

Interview und Foto: HEIDEWITZKA